
Die gestern veröffentlichte, durch Papst Franziskus erlassene Apostolische Konstitution „Veritatis Gaudium“ geht auch auf die eskalierende Krise der modernen Welt ein und ruft Christen dazu auf, dieser Krise entgegenzutreten und die globale Entwicklung in eine andere Richtung zu steuern. Dazu sei die Schaffung einer Kultur und die Herausbildung einer Führerschaft erforderlich, die diese Aufgaben leisten könnten.
- Laut dem Dokument stehe die Welt einer „umfassenden anthropologischen und sozio-ökologischen Krise“ gegenüber, die damit verbunden sei, dass zunehmend „Symptome eines Bruchs“ zu beobachten seien.
- Die gegenwärtige Lage sei von einer „großen Geschwindigkeit der Veränderungen und der Verschlechterung“ gekennzeichnet, was sich unter anderem in Form von „Gesellschafts- oder sogar Finanzkrisen“ äußere. In dieser Lage müsse es darum gehen, „das Modell globaler Entwicklung in eine [andere] Richtung [zu] lenken“.
- Dazu sei die Schaffung einer Kultur erforderlich, „die es braucht, um dieser Krise entgegenzutreten.“ Außerdem sei es notwendig, eine Führerschaft heranzubilden, die diesbezüglich Wege aufzeige.
Hintergrund
Die katholische Kirche ist die einzige größere Institution, die sich aktiv mit allen Aspekten der krisenhaften Entwicklung der modernen Welt auseinandersetzt und umfassende Antworten auf diese bereithält. Sowohl Papst Franziskus als auch seine Vorgänger haben dabei stets betont, dass diese Krise mittelfristig zu enormen Verwerfungen führen könne, die für das Christentum in Europa, aber auch für die ganze moderne Welt existenzbedrohende Dimensionen annehmen könnten.
- Im Oktober 2017 hatte Papst Franziskus in diesem Zusammenhang die gegenwärtige Lage in Europa mit der verglichen, „als die antike Zivilisation unterging“. Europa habe bei der Weitergabe seines Erbes „dem Vermächtnis den Verrat vorgezogen“.
- Papst Benedikt XVI. sagte 2012, dass wesentliche Teile der kulturellen Substanz der westlichen Welt mittlerweile „bis auf den Grund bedroht“ seien. Bereits 1970 hatte der damalige Kardinal Ratzinger gewarnt, dass es ihm „gewiss zu sein“ schiene, „dass für die Kirche sehr schwere Zeiten bevorstehen. Ihre eigentliche Krise hat noch kaum begonnen. Man muss mit erheblichen Erschütterungen rechnen.“
- Der damalige Kardinal Karol Wojtyla und spätere Papst Johannes Paul II. warnte 1976, dass das Christentum vor den größten Herausforderungen seiner Geschichte stehe. In einer „nicht sehr fernen Zukunft“ werde es zur „finalen Konfrontation zwischen der Kirche und der Anti-Kirche“ kommen, die mit „großen Prüfungen“ verbunden sein und von Christen äußerste Dienstbereitschaft erfordern werde.
Der katholische Philosoph Josef Pieper sah die Quelle des Realismus des christlichen Denkens darin, dass es auf ein „innerzeitlich katastrophistisches Ende der Geschichte gefasst“ sei. In diesem Punkt sei es wesentlich realistischer als der naive Fortschrittsglaube der Moderne. Bis zum Ende der Zeit werde das „Heerlager der Heiligen“ bedroht und verfolgt werden, wobei die Herausforderungen im Verlauf der Zeit immer mehr zunehmen würden. (FG3)