
Einer Meldung des österreichischen Nachrichtenmagazins profil zufolge hat Papst Franziskus bei einer Privataudienz für eine Gruppe von Katholiken aus Österreich vor Islamisierungstendenzen gewarnt. In diesem Zusammenhang habe er auch “falsch verstandene Toleranz” kritisiert, deren Ursache eine eine gleichgültige Haltung von Christen gegenüber der eigenen Religion sei.
Hintergrund
Franziskus soll sich in seiner Äußerung auch auf eine Warnung des Wiener Erzbischofs und Kardinals Christoph Schönborn bezogen und gesagt haben, dass er, anders als Schönborn, die eigentliche Gefahr nicht im Handeln radikal-islamischer Akteure, sondern in der Gleichgültigkeit unter Christen sehe. Kardinal Schönborn hatte im September 2016 gesagt:
„’Vor 333 Jahren ist Wien gerettet worden’, so der Kardinal. ‘Wird es jetzt einen dritten Versuch einer islamischen Eroberung Europas geben? Viele Muslime denken und wünschen sich das und sagen: Dieses Europa ist am Ende.’ Der Kontinent habe sein christliches Erbe verschleudert wie der Verlorene Sohn das Vermögen seines Vaters. Nun fehle es ‘hinten und vorne’ an geistlichem Rüstzeug. Schönborn schloss mit der Bitte an Gott: ‘Hab Erbarmen mit Deinem Volk, mit Europa, das daran ist, Dein christliches Erbe zu verspielen!’
Ein Sprecher der Erzdiözese Wien kommentierte die Meldung des österreichischen Magazins mit den Worten, dass sich die aktuellen Äußerungen des Papstes ‘eins zu eins mit der Auffassung Kardinal Schönborns’ decken würden.
Islamisierungsprozesse in Europa
Islamisierung ist der Prozess der Durchdringung einer Raumes, einer Bevölkerung oder eines Gemeinwesens mit der Religion des Islam und damit verbundenen religiösen, kulturellen und politischen Konzepten.
- In Europa sind Islamisierungsprozesse vor allem demographisch getrieben. Laut der 2017 erschienenen Studie „The Changing Global Religious Landscape“ des Pew Research Center zufolge werde in Europa der Anteil der Muslime an Bevölkerungen europäischer Staaten aufgrund von höheren Geburtenraten und Migration weiter zunehmen, während der Anteil der Christen vor allem aufgrund niedrigerer Geburtenraten sowie schwächeren religiösen Bindungen künftig stark zurückgehen werde.
- Laut einer 2017 veröffentlichten Studie des “Vienna Institute of Demography”, die sich auf Österreich bezieht, werden Muslime im Zuge dieser Entwicklung mittelfristig zunächst in Städten sowie in jüngeren Alterskohorten zur Bevölkerungsmehrheit werden. Diese Entwicklung vollziehe sich in weiten Teilen Westeuropas ähnlich. Bei ungebrochenem Trend werden Muslime voraussichtlich in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts in einigen Staaten Nord- und Westeuropas zu Bevölkerungsmehrheiten werden.
- Islamisierungsprozesse sind weltweit mit häufig gewaltsam ausgetragenen Normen- und Verteilungskonflikten sowie mit der Verdrängung oder auch Vernichtung nichtislamischer Kultur und Religion verbunden, wie es derzeit etwa in Teilen des Nahen Ostens verstärkt zu beobachten ist.
Auch in Europa sind Ansätze zu ähnlichen konflikthaften Begleiterscheinungen von Islamisierungsprozessen zu erkennen.
Antworten der katholischen Kirche auf islambezogene Herausforderungen
Papst Franziskus hatte sich in der Vergangenheit mehrfach indirekt zur Islamisierungsproblematik geäußert. Grundlage seiner Äußerungen ist der Ansatz, islambezogenen Herausforderungen nicht durch direkte Konfrontation, sondern Korrektur von Fehlentwicklungen im Christentum wie der insbesondere in Europa verbreiteten Selbstverleugnung der eigenen Identität zu begegnen.
- So hatte er etwa dazu aufgerufen, Bindungen an die eigenen Wurzeln wiederzuentdecken und zu erneuern, denn “ein Volk, das sich nicht um seine Wurzeln kümmert, ist ein krankes Volk“. Außerdem hatte er gesagt, dass die Voraussetzung für Frieden unter den Völkern die Achtung der eigenen Identität sei.
- Staaten hätten zudem das Recht, ihre Grenzen zu schützen. Dies gelte insbesondere für Staaten, die durch Terrorismus bedroht würden. Er warnte zudem davor, Grenzen auf irrationale Weise für Migranten zu öffnen, und rief die Regierungen Europas dazu auf, „die europäische Identität zu bewahren“.
Papst Franziskus und seine beiden Vorgänger vermieden es auch, die Islamisierungsproblematik in öffentlichen Äußerungen direkt anzusprechen. Motiv dafür ist möglicherweise die Absicht, den Druck auf verfolgte Christen angesichts der sich gegenwärtig vor allem unter der Führung radikal-islamischer Akteure vollziehenden Welle von Christenverfolgungen nicht weiter zu verstärken.
Da die Verfolgungen und islambezogene Konflikte mit negativen Auswirkungen auf das Christentum sich parallel zu dieser mutmaßlichen Strategie jedoch weltweit weiter verstärkt haben, gibt es auch Stimmen in der Kirche, die dafür eintreten, die passive Haltung aufzugeben und sich islambezogenen Konflikten zu stellen. (FG2)